Tunis, le 28 mars, 20h, pleine lune
In diesem Blog geht es um die antiken punischen und römischen Stätten in Karthago, darum, warum in Tunis Taxis das Verkehrsmittel der Wahl sind umd warum ich zum ersten Mal etwas Angenehmes gerochen habe.
Es ist der erste warme Tag seit langem. Blauer Himmel, 25 Grad, pralle Sonne. Ich habe mich entschieden, Karthago zu erkunden. Carthage, wie es hier heißt, ist ein vornehmes Viertel, das nicht weit von meinem direkt am Mittelmeer liegt. Dort gibt es Überreste punischer und römischer Siedlungen, römische Villen, Amphitheater und andere Vergnügungsstätten. Eine Unmenge antiker Ruinen, die einen historischen Wert haben. Im Gegensatz zu den tausenden Bauruinen, die man an beinah an jeder Ecke in Tunis findet. Die untergegangene Welt Hamilkars und Hannibals: heute liegt sie vor den Toren von Tunis. Und zerbröckelt malerisch für die Touristen am Meer in der Sonne.
Verkehr in Tunis
Trotz der Mittagshitze marschiere ich die etwa 6 Kilometer zu Fuß auf der Schnellstraße, Autos preschen nah an mir vorbei. Normalerweise sind die safrangelben Taxi in Tunis das Verkehrsmittel der Wahl. Auf jeder große Straße wimmelt es von ihnen, doch heute möchte ich laufen. 10-20 Minuten Fahrt kosten 4-10 Dinar (1,50-3 Euro). Fußwege sind – außer im Zentrum – Mangelware. Was vor allem auffällt: es gibt fast nirgendwo Ampeln – Kreisverkehre regeln das Nötige. Der Verkehr fließt kreuz und quer, ohne Regeln, doch Unfälle passieren kaum. An manchen Großkreiseln überwacht die Verkehrspolizei in schmucken Uniformen das Geschehen. Die Zebrastreifen sind reine Dekoration; daher muss man entweder hellwach sein oder selbst hemmungslosen Schrittes die Straße überqueren. Straßenbahnen, Vorortzüge und Busse gibt es kaum. Auch motorisierte Zweiräder sind selten; sie sind zum einen zu gefährlich, zum anderen hat das Auto einen höheren Stellenwert. In den ersten beiden Wochen habe ich 7 oder 8 Fahrräder auf den Straßen gezählt. Ausschließlich mit Männern im Sattel. Kinder fahren probehalber höchstens auf wenig befahrenen Seitenstraßen.
Antike in vielen Häppchen
In Carthage klettere ich in ein Amphitheater sowie in einen punischen Friedhof mit seinen Grabstelen. Überall gibt es Durchgänge, Löcher und Steinhöhlen in den Wänden.
Unweit davon ist der alte punische Militär-Hafen. Er wirkt eher klein, doch wissen wir nicht genau, wie die Küstenlinie vor 2000 Jahren ausgesehen hat. Am Hafen liegen fein geknüpfte Fischernetze, die wie feine Wolle aussehen und sich auf dem Boden mit kleinen Steinen und Tang zu einem Naturkunstwerk verbinden.
Die Punier haben daneben ihr Karthago mit einer riesigen Mauer direkt am Meer errichtet, von der heute nur noch die Fundamente zu sehen sind. Hinter der Stadtmauer kann man die Reste von Stadthäusern erkennen. Später haben die Römer einige Siedlungen darüber gebaut. Heute gibt es, außer den zahlreichen antiken Stätten, viele Regierungsbehörden, Ministerien und gepflegte Villen in Carthage.
Thermes d’Antonin
Am beeindruckendsten und weitläufigsten sind die sogenannten Antonius-Thermen. Sie wurden im 2. Jahrhundert errichtet. Das Gelände umfasst ein Auf und Ab zum Klettern, Kraxeln und Staunen, das mehrere Hektar umfasst. Mit unbefestigten Pfaden und breit gepflasterten Prunkwegen. Den Bogenhöhen nach zu schließen müssen einige der Gebäude mehrere Stockwerke hoch gewesen sein. Auf etwa acht schätzen es die Archäologen. Gerade einmal 3 Besucher sind auf dem großen Gelände außer mir hier.
Am Ausgang stürzen sich sofort zwei ältere Männer auf mich, denn ich bin der einzige „Tourist“ weit und breit, an den sie sich wenden können. Die Corona-Saison scheint für sie zum Verzweifeln zu sein. Ausländer sehe ich in ganz Tunis in diesem Frühjahr kaum, nur heute einige wenige in den Ausgrabungsstätten. Als ich vor Wochen zum ersten Mal einen Nachmittag in der gnadenlos überfüllten Altstadt verbrachte habe, sind mir in 3 Stunden nur zwei Rucksacktouristen über den Weg gelaufen, dem Aussehen nach Spanier oder Italiener. Ansonsten nur Tunesier bzw. Nordafrikaner. In der Altstadt habe ich daher wegen meines ‚exotischen‘ Aussehens viele Blicke auf mich gezogen, doch die meisten Leute schauen freundlich. Die Männer, die mich angesprochen haben, wollten mich meist zu irgendwelchen Parfümläden mit Jasmin-Probe oder anderen ‚Attraktionen‘ führen.
Die beiden älteren Herren an den Thermen sind freudig erregt, da sie endlich jemanden gefunden haben, den sie in ihre „Touristen“-Schublade stecken können. Ich kann sie erst nach 5-minütiger Diskussion abwimmeln. Der eine stellt sich mir als „Doyen der Reiseführer“ in Tunis vor; Französisch und Deutsch spricht er in der Tat fließend. Er ist 62 Jahre alt und organisiert seit den 70er Jahren archäologische Führungen im ganzen Land. Er zeigt mir ein Video mit einer französischen Fernsehdokumentation, die ihn selbst zum Thema hat. Jeden Tag wartet er in den Thermen auf Kunden. Beinahe ergebnislos. Er bietet mir an, mich in seinem Auto herumzufahren. Mir ist er zu schwatzhaft, aber ich lasse mir seine Karte geben. Und seit langer Zeit folge ich auf Reisen mehr meiner eigenen Nase als einer Karte oder einem Reiseführer. Der andere Herr ist angesichts meines Desinteresse etwas beleidigt, möchte aber noch ein kleines Gläschen Euro-Münzen bei mir in Dinar wechseln; ich lehne ab, denn dafür habe ich keine Verwendung.
Freude für die Nase
Einige Einheimische nutzen das Wetter zum Anbaden; ich dagegen lasse den Tag im Café ausklingen.
Die Cafés und Imbissbuden sind voll und nach einer Stärkung mit frisch gepresstem Saft und Café wandere ich eine Stunde im fast schon sommerlichen Abendlicht nach Hause. Wie alle Großstädte der Welt riecht Tunis nicht gut; und daher registriert man bewusst und unbewusst vor allem Asphalt- und Benzindämpfe und den allgegenwärtigen Müll. In den ruhigen Straßen und Grünanlagen von Carthage war das anders; zum ersten Mal seit meiner Ankunft habe ich das Mittelmeer gerochen und aus den Blumen, Büschen und Stauden sind angenehme Gerüche in meine Nase gestiegen.
Wenn ihr Fragen, Anmerkungen oder Themenvorschläge habt, schreibt sie in den Kommentar-Bereich oder sendet eine E-Mail an:
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Schäfchen
Danke für die schönen Photos! Was blüht denn dort alles an Blumen und Bäumen? Ist die Mandelblüte schon vorbei? In Berlin haben die ersten Bäume gerade mal grüne Spitzen. Bei manchen Bäumen rührt sich hier noch gar nichts. Und wenn man die teilweise aufgeplatzte Rinde sieht, hofft man nur, dass die Pflanzen sich nach der Trockenheit überhaupt wieder fangen. – Apropos Thermen: Gab oder gibt es noch ein Aquädukt? Wie wird Tunis mit Wasser versorgt? Sind die Berge nah? Was für Gerüche fallen Dir sonst noch auf? Gibt es öffentliche Gärten? Bzw. Innengärten? Bin schon gespannt, was als Nächstes kommt.