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Die kleine Stadt der Katzen

Die kleine Stadt der Katzen

Ein feiner, leichter Regen nieselt ins Gemüt und auf die umherlaufenden Regenschirme. Ich verlasse den belebten Hafen, in dem ein nachgebautetes phönizisches Holzschiff neben dutzenden kleinen Fischerbooten ankert. Das dunkle Schiff hat einen triumphalen Mast, von dessen Höhe sich ein paar Zirkusleitern zum Bug und Heck zwirbeln. Bug und Heck sind bunt bemalt; kunstvoll biegen sie sich aus dem Wasser nach oben. Sie sind breit und strotzen vor Kraft. Und so hoch, dass sie den Kopf in den Nacken zwingen und alles Menschliche klein wirken lassen. Neben der majestätischen Aura des Phönizierschiffes wirkt die versammelte Überzahl der Kutter kraftlos und schmutzig. Ein paar Orangen schwappen traurig im Wasser, doppelt ertränkt von oben und unten.

Ich folge einem vorbeisurrenden Moped in die kleine und stille Stadt der Katzen. Es surrt kurz vor mir von links nach rechts und macht mich auf einen Eingang aufmerksam, der in einer Mauernische liegt und den ich vorher nicht bemerkt hatte. Das Moped taucht einen Steinwurf vor mir auf und es sieht im Profil so aus, als würde es mit hoher Geschwindigkeit gegen eine Wand fahren. Doch dann verschwindet es in einem alten Toreingang.

Die Mauern sind hier 10 Meter hoch. Vor dem Eingang, den mir das Moped gezeigt hat, direkt an der alten Stadtmauer, hat ein Mann seine Gemüsekisten auf dem spiegelglatten Pflaster ausgebreitet. Große weiße Zwiebeln, Eiertomaten, Kartoffeln und kleine Schlangengurken sind zu Häufchen aufgeschichtet. Dahinter ist eine dunkelblaue, gebogene Pforte, die verschlossen aussieht. Obwohl es nieselt und das Licht etwas matter geworden ist, leuchtet das Gemüse weiß, rot und grün im Regen. Die Farbe der Kartoffeln ähnelt dem blassbraunen Pflaster und den großen vermörtelten Mauersteinen, die viele hundert Jahre älter sind als das Pflaster. Hohe sandfarbene Mauer umschließen mich, als ich am Stand vor der dunkelblauen Tür abbiege und unter einem aus Feldsteinen gemauerten Torbogen durchtrete. Jetzt bin ich in der Stadt.

Ein zwergenhafter Durchgang in der Stadt

Die engen Gassen sind krumm und unübersichtlich; das Pflaster seifiger als ein frisch gewienerter Boden. Vorsichtig setze ich Schritt um Schritt. So muss es sich anfühlen, steifbeinig, ungelenk wie ein 85-jähriger zu sein. Aus den Fugen quillt brauner Schmutz und verläuft sich im Regenfilm. Fast alle Gerüche sind weggewaschen. Eine geruchslose Stille legt sich auf die Steine. Der Mopedfahrer ist längst verschwunden. Die kleine Stadt der Katzen nenne ich sie, weil Katzen die einzigen Lebewesen sind, die die Gässchen bevölkern. Und man nur vereinzelt Menschen begegnet. Die Bewohner der Medina von Bizerte haben sich in ihre Häuser zurückgezogen. Hier und da hört man ein Hämmern, einen Fernseher oder Stimmen. Die pelzigen Vierbeiner liegen meist dösend auf Tür- oder Fenstersimsen. Unter Torbögen oder einfach auf der Straße. Sie sind fleckig und mager. Weiß, schwarz und braun gescheckt. Ums Essen müssen sie kämpfen, das sieht man ihnen an

Diese Katze bewacht einen Toreingang
  1. Schaefchen

    Hallo Seepferdchen! Was gibt’s Neues?

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